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 CAIRN
 
 
 NANZIGER
 
 
 
 LABEL  REFERENCE  SORTIE
 CYANUR PROD  23 CP 023 DECEMBRE  2013
 TITRES / TRACKS  

01- Lougos

02 - Ordo Templi Orientis

03 - Furor Teutonicus

04- Ordalies

05- Les Mediomatrices

06- Nanziger

07 - Julleuchter

08 - Sturmgewehre

09- Assaut

10 - Cruth

11- Lebensborn

12- Atax

13 - Dis Pater

14 - Ambra

15 - Jusjurandum

16- Action *

17 - Reflexion *

18 - Depression *

19 - Suicide *

( demo K7 De 2000)


 
 
 
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LOL ET RE LOL
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Die Nanziger

Über das komplizierte Erbe einer Bezeichnung

Ein Debattenbeitrag von Jakob Wigand.

Publié le by Jakob Wigand (author)

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Manchmal kommt das Vergangene „doch noch als Gespenst (wieder) und (stört) die Ruhe eines späten Augenblicks. Fortwährend löst sich ein Blatt von der Rolle der Zeit, fällt heraus, flattert fort und flattert plötzlich wieder zurück, dem Menschen in den Schoß“ (Nietzsche). Ein solches Blatt ist uns, Studenten des deutsch-französischen Campus in Nancy, am vergangenen Freitag in den Schoß beziehungsweise auf den Kopf gefallen. Ein Kommilitone hatte in der campusinternen Facebook-Gruppe einen Link geteilt, der die Geschichte des Begriffs „die Nanziger“ beleuchtet.

Hinter dem Namen „die Nanziger“ versteckt sich eine Gruppe von primär elsässischen Politikern, die in der Zwischenkriegszeit mit der Autonomie des Elsass sympathisiert hatten. Mit der faktischen Annexion Elsass-Lothringens an das Deutsche Reich im Jahre 1940 ließen die „Nanziger“ sich mit NSDAP-Mitgliedschaften abspeisen und begruben fortan ihre „autonomistischen“ Neigungen unter großdeutschen und nationalsozialistischen Ambitionen. Die meisten von ihnen wurden im Nachkriegsfrankreich wegen Kollaboration und Landesverrat verurteilt. Zwei der von französischen Gerichten zum Tode verurteilten „Nanziger“ vermochten es dessen ungeachtet unter zutiefst dubiosen Umständen in Deutschland Exil zu suchen und verstarben von der deutschen Justiz unbehelligt in den Achtziger Jahren. Ja, es ist wahr, die Geschichte der „Nanziger“ erinnert uns an einige der dunkelsten Stunden unserer deutsch-französischen Geschichte.

Die „Nanziger“ aus dem Jahre 2014 sind das Gegenstück der „Nanziger“ aus dem Jahre 1940. Die „Nanziger“ des Jahres 2014 sind Deutsche und Franzosen, Europäer und Kosmopoliten, die sich gemeinsam für ein friedliches Europa stark machen. In einer von Feindschaft und Hass gezeichneten, oftmals zerstörten Region hat ihre Präsenz als Deutsch-Franzosen zudem Symbolcharakter. Aus diesem Symbolcharakter erwächst Verantwortung. Es ist die Verantwortung, durch Erinnern die Geschichte unserer Großeltern stets lebendig zu halten, um zu verhindern, dass sich jenes düstere Kapitel unserer Vergangenheit wiederholt. Dafür braucht es Wachsamkeit.

Einer solchen Verantwortung ist am vergangenen Freitag jener Kommilitone gerecht geworden, der auf die braunen Verstrickungen der „Nanziger“ (aus dem Jahre 1940 – wohlgemerkt!) hinwies. Anstatt auf seine Einladung zur Diskussion einzugehen, wurde er jedoch als Moralpastor abgekanzelt und sein Beitrag als Tugendterror abgestempelt. Wer sich sein jedweder Polemik abstinentes, nüchternes Schreiben noch einmal durchliest, wird feststellen, dass Besagter mit keiner Silbe die Verbannung des Wortes „Nanziger“ aus unser aller Wortschatz gefordert hat. Sein Schreiben sollte lediglich zur Diskussion, zum Nachdenken und Umdenken anregen. Die Reaktionen, auf der für solche Denkanstöße sicherlich falsch gewählten Plattform, waren beschämend und wurden der Sache nicht gerecht.

Noch berechtigter wird das Anliegen des Kommilitonen, wenn man nach dem Schlagwort „Nanziger“ googelt. Man stößt in erster Linie auf seriöse Beiträge, die über die nationalsozialistischen Machenschaften der „Nanziger“ informieren. Das fünfte Suchergebnis jedoch zeigt, dass der Term „Nanziger“ auch heute noch im rechtsradikalen Milieu als Erkennungszeichen verwendet wird: Man gelangt auf die Seite eines französischen, rechtsradikalen Musiklabels namens „cyanur prod.“. Cyanure ist der französische Begriff für Cyanwasserstoff alias Blausäure. Blausäure wurde in den Gaskammern der Vernichtungslager Majdanek und Auschwitz-Birkenau benutzt. In einem Label mit derartigem Namen hat die Gruppe „Cairn“ ihr Album „Nanziger“ veröffentlicht.  Auf der Platte befinden sich Tracks mit Titeln wie „Nanziger“, „Furor Teutonicus“ und „Sturmgewehre“.

Der Name „die Nanziger“ ist historisch besetzt. Wer heute im Bezug auf die Bürger der Stadt Nancy von „Nanzigern“ spricht, drückt damit mehr aus als intendiert. Der deutsche Name der Stadt ist ebenso veraltet wie die Bezeichnung für ihre Einwohner und in Deutschland nicht geläufig. „Nanzig“ ist folglich nicht die Übersetzung von Nancy ins Deutsche. Ein „Nanziger“ ist kein Nancéien.

In völkisch-revisionistischen Kreisen spricht man dennoch sehr bewusst von „Nanzig“. Auf Metapedia. Die alternative Enzyklopädie, einem rechtsextremen Onlinelexikon, findet man in einem Artikel über unsere Studienstadt den folgenden Satz: „Nanzig befindet sich unter Fremdherrschaft. Das Gebiet ist von Frankreich vorübergehend besetzt.“ Die Verwendung der Bezeichnung „Nanzig“ ist hier bereits Teil der Botschaft. Der Autor benutzt den deutschen Namen, um das vermeintliche „Deutschtum“ der Stadt zu beschwören. 

Was bedeutet dies für unseren Campus? Können wir uns weiterhin getrost „Nanziger“ nennen? Ist es möglich, dass wir über den historisch aufgeladenen Begriff mit neonazistischen Gruppierungen in Verbindung gebracht werden? Wie können wir mit gutem Gewissen „Nanziger“ sein, ohne uns genannter Gefahr auszusetzen?

Die Antwort auf letztere Frage liegt in der Art und Weise, mit der wir dem neuen Wissen begegnen. Die Reaktionen auf die „Enthüllungen“ ließen eine „Übersättigung unserer Zeit an Historie“ erkennen, die zu einer Nicht-Schon-Wieder-Trotzreaktion führte. Gerade deshalb ist es wichtig, eine Diskussion anzustoßen, die nicht alsbald in eine „Schlussstrichdebatte“ mündet. Eine solche Diskussion würde Bewusstsein schaffen, wo Unwissen herrscht, würde Erinnerung wachrufen, wo das Vergessen modert. Eine solche Diskussion könnte sogar zu einer bewussten Verwendung der Bezeichnung „Nanzig(er)“ führen und sie so rehabilitieren. Frei nach Elie Wiesel: Challenged by memory we would move forward!

 

Le Parvenu, soucieux du respect d’une certaine objectivité, reste ouvert à tout article développant d’autres idées sur le sujet, et vous rappelle que les avis et opinions développés ne reflètent en rien, dans un sens ou dans l’autre, l’opinion du journal et de ses membres.

 




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